Die Straßenverkehrsordnung verlangt in § 26, dass „Fahrzeuge mit Ausnahme von
Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder
Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn [an
Fußgängerüberwegen] zu ermöglichen [haben].“
An einem eine recht befahrene Straße kreuzenden Radwanderweg wurde, um die Radfahrer auf ihr
häufig geübtes falsches Verhalten hinzuweisen, nämlich den Fußgängerüberweg fahrend (im
Glauben vorfahrtberechtigt zu sein) zu benutzen, ein vom Fahrrad aus gut sichtbarer Warnhinweis
auf sonnengelbem Untergrund angebracht. Das stellt eine sehr löbliche Maßnahme dar, nur leider ist
der Text für Menschen, die anders wahrnehmen, so missverständlich verkürzt, dass sie die Regel, die
sie nach dem Lesen des Textes beachten sollen, unweigerlich in bester Absicht auf gefährliche Weise
befolgen.
Auf einem gelb gestrichenen Stück des Weges räkelt sich die Formulierung „Vorrang nur für
Fußgänger“ in der Sonne, zumindest an dem Tag, als die obige Aufnahme entstand.
„Vorrang nur für Fußgänger“ als Schriftzug an einem Radwanderweg, der eine Straße mit
Zebrastreifen kreuzt und der selbstverständlich auch von Spaziergängern, Joggern und Hunden
benutzt werden darf und wird, bedeutet im wortwörtlichen Sinne: Die Zebrastreifenregel gilt hier nur
für Fußgänger und Rollstuhlfahrer (sowie sicher auch für dazugehörige Hunde). Mein eigenes
Erleben hat mir gezeigt, dass daraus (zumindest einige) Autisten der Logik der Worte folgend
schließen, dass die Regel nicht für Radfahrer gilt. So weit, so richtig. Als Radfahrer setzen sie hier
also ihren Weg radfahrend fort und müssen auf den Verkehr auf der Straße, die sie kreuzen, achten.
Sie dürfen dabei weder Autos noch Fußgänger behindern.
„Vorrang nur für Fußgänger“ impliziert für Autisten nicht zwingend die freundliche Aufforderung, vom
Rad abzusteigen und den Zebrastreifen zu Fuß in Begleitung des von ihnen geschobenen Fahrrades
zu überqueren, was die für alle ungefährlichste Art und Weise wäre. Wenn man mit dem Fahrrad
unterwegs ist, dann ist man logischerweise ein Radfahrer, auch dann noch, wenn man eine Pause
einlegt, um etwas zu trinken oder einen Vogel zu beobachten. Wieso sollte das beim Überqueren
einer Straße anders sein?
Richtig schwierig wird die Situation dann, wenn der Autist aufgrund der viel befahrenen Straße am
Zebrastreifen absteigt, um geduldig auf eine Lücke im fließenden Verkehr zum Überqueren der
Straße zu warten. Sowie er abgestiegen ist, stoppt der Verkehr, weil der Radfahrende damit zu einem
Fahrrad schiebenden Fußgänger geworden ist, der nun Vorrang hat. Der Autist, der sich selbst nicht
als Fußgänger begreift, überquert den Zebrastreifen nicht, denn auf dem sonnengelben Untergrund
steht doch geschrieben, dass nur Fußgänger das Privileg genießen. Somit entsteht durch einen
Hinweis, der Gefahrensituationen vermeiden sollte, eine potentiell gefährliche Situation.
Ein nicht ernst gemeinter Vorschlag: Vielleicht ist es hilfreich, den gesamten Paragraphen 26 der
StVO auf den Asphalt zu schreiben, denn dann müsste jeder vom Rad absteigen, um den Text zu
lesen.
Vorrang nur für Fußgänger
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