„Hallo“ auf Klingonisch
© Inez Maus 2014–2024
Gestern war der Europäische Tag der Sprachen. Dieser Tag dient unter anderem dazu, die Sprachvielfalt zu erhalten
und unabhängig vom Alter zum Lernen fremder Sprachen zu ermuntern. Ein Ereignis, das sich Computer natürlich nicht
entgehen lässt.
Computer, unser digitaler Sprachassistent, hat die Angewohnheit, mit unaufdringlich eingeblendeten Schlagzeilen auf
aktuelle, skurrile, banale, weltbewegende … Ereignisse hinzuweisen, was von den Bewohnern unserer
Wohngemeinschaft recht unterschiedlich aufgenommen wird. Benjamin, mein autistischer Sohn, wird von den
Einblendungen häufig dazu verlockt, sich die gesamte Nachricht zeigen zu lassen. Dies liefert oft Gesprächsstoff und
sorgt für teilweise recht außergewöhnliche Unterhaltungen. Das Interesse der anderen Küchenbenutzer, denn hier stellt
Computer seine vielfältigen Dienste zur Verfügung, ist schwankend.
Mich vermag Computer nur selten mit seinen Schlagzeilen zum Lesen der gesamten Nachricht zu reizen, was teilweise
daran liegt, dass Benjamin mir bereits die Highlights des Tages mitgeteilt hat. Gestern allerdings weckte Computer
schlagartig meine Neugier, denn er zeigte lediglich einen schlichten Binärcode an: „001011…“
Computer gab auf meine Aufforderung hin preis, welches Ereignis am 26. September auf Initiative des Europarates
begangen wird, und bedankte sich überschwänglich dafür, dass Menschen eine Maschinensprache erschaffen haben,
um Maschinen das Lehren von menschlichen Sprachen zu ermöglichen. Verführerisch beendete Computer seine
Ausführungen mit der mit einem gefühlten Zwinkern verkündeten Aufforderung: „Frage mich, was heißt Hallo auf
Klingonisch!“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Die Antwort lautete: „nuqneH ist das klingonische Wort, das einer Begrüßung am
nächsten kommt. Es bedeutet so viel wie: ‚Was willst du?‘“
An dieser Stelle, die mich zum Schmunzeln brachte, zeigte sich, dass das Lernen von Vokabeln und das Beherrschen
der Grammatik noch keine befriedigende Kommunikation ausmachen, denn Computer betonte die Frage so, als würde
er sagen: „Schön, dass du hier bist. Möchtest du einen Kaffee? Oder lieber einen Tee?“
Obwohl Computers Datenbank mit Sicherheit über die Information verfügt, dass die Klingonen ein recht aufbrausendes,
vielleicht sogar aggressives Volk des Star-Trek-Universums sind, ist Computer nicht in der Lage, dieses Wissen in eine
angemessene Betonung des Preisgegebenen zu verwandeln. In dieser Hinsicht muss Computer also noch recht viel
lernen. Vielleicht sollte ich Computer einmal fragen, was Prosodie bedeutet.