Anguckallergie

Rezension
in autismus, Zeitschrift des Bundesverbandes autismus Deutschland e. V., Nr. 76, Okt. 2013 mir freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Wohlleben und Herrn Freese Inez Maus Mami, ich hab eine Anguckallergie Licht und Schatten im Leben mit Autismus Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2013 In diesem Buch blickt eine Mutter sensibel, einfühlsam aber auch mit Sachverstand und Witz auf die ersten Lebensjahre ihres Zweitgeborenen zurück, der dann nach zwei Jahren der „Mittlere“ in der Geschwisterreihe wurde und sich von seinen beiden Brüdern so sehr unterschied, dass die Erklärung „jedes Kind ist anders“ nicht mehr ausreichte. Seine vielen Eigenarten, beim Bestehen auf bestimmten Dingen und Abläufen, seine Form der Kommunikation oder auch „Nicht“- Kommunikation, seine Kontaktscheu oder sogar Ablehnung gegenüber anderen Kindern oder auch Erwachsenen, war oft unverständlich und für die Eltern und Geschwister auch schmerzlich. Die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten und Erlebnisse mit einem Kind, das eigentlich deutliche Anzeichen aus dem Autismus-Spektrum zeigt, die aber von den aufgesuchten Fachleuten nicht erkannt und vom Umfeld als Erziehungsfehler angesehen werden bringen die Eltern oft in Verzweiflung und Ratlosigkeit. Aber auch das Ringen um ein Verständnis, warum die einfachsten Alltäglichkeiten mit dem kleinen Benjamin nicht gelingen, gepaart mit Überraschungsmomenten, in denen er Dinge tat oder sagte, die man nie von ihm erwartet hätte lassen andererseits hoffen, dass alles gut wird, wenn man Benjamin mit Ruhe und Geduld begegnen würde. Anschaulich wird beschrieben, warum die Eltern um den zweiten Geburtstag des Kindes tatsächlich zum ersten Mal an Autismus dachten, was dann aber von ihnen selbst wieder verworfen wurde, da einiges aus den klassischen Beschreibungen des „frühkindlichen Autismus“ doch nicht wirklich zutraf. Zu diesem Zeitpunkt galt u.a. „Rainman“ als Prototyp eines Menschen mit Autismus und auch viele Fachleute kannten nicht die Vielfältigkeit des autistischen Erscheinungsbildes, besonders bei jüngeren Kindern. Auch wenn seitdem knapp 20 Jahre vergangen sind und das Wissen um das Autismus-Spektrum größer geworden ist, erhalten Kinder wie Benjamin auch heute noch zu spät Hilfe und die Eltern die dafür notwendige Unterstützung. Dieses Buch ist ein lesenswertes Muss für alle Fachleute, die mit Kindern arbeiten, weil es in spannender Weise Anregungen gibt, Kinder mit abweichenden Verhaltensweisen genauer zu beobachten und Eltern als Informanten ernst zu nehmen. Es kann aber auch Eltern helfen, die Besonderheiten ihres Kindes zu verstehen oder im Nachhinein sich in der eigenen Wahrnehmung oder im eigenen Kampf gegen ungerechte Vorwürfe mangelnder oder zu nachgiebiger Erziehung bestätigt zu sehen. Dr. rer. medic Bärbel Wohlleben
Inez Maus
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