Ein ziemlich bestes unmoralisches
Angebot
© Inez Maus 2014–2024
Vor einem Jahr berichtete ich über einen liebenswerten Störenfried und andere Begebenheiten, die ich bei
verschiedenen Veranstaltungen erlebt hatte.
Inzwischen weiß ich, dass nicht nur am Thema Autismus Interessierte mein Blog lesen, sondern gelegentlich auch
Techniker, die sich vor einer Tagung ein Bild von den eingeladenen Referenten machen wollen. Dies inspiriert mich
dazu, einige sehr positive Erlebnisse zu diesem Thema, die ich in den letzten Wochen hatte, hier zu berichten.
In einer Schule traf ich auf einen Techniker, der die Funktion „Erweitern“ im Menüfeld „Projizieren“ kannte. Das mag jetzt
für auf diesem Gebiet Erfahrene nicht so aufregend klingen, aber wenn ich von Veranstaltern eingeladen werde, die
nicht professionell Fortbildungen anbieten, ist es schon ein wohltuendes Erlebnis, wenn alle Beteiligten wissen, was sie
tun.
Wenn bei einer Tagung dank detaillierter Absprachen die Technik betreffend alles wunschgemäß klappt und die
Referenten sogar im Vorfeld gefragt werden, welches Getränk sie wünschen, dann ist das wohl nicht zu überbieten.
Daher danke ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich meinem Leser, der mich nach dem Vortrag bat, ihm in die
Künstlergarderobe im Keller zu folgen.
Nein – dies war nicht das titelgebende unmoralische Angebot. Dieses erhielt ich, als der Teilnehmer einer Fortbildung
von mir gebeten wurde, eine Frage zur vestibulären Wahrnehmung zu beantworten. Er ging jedoch nicht auf meine
Frage ein, sondern sagte mit einem zweideutigen Grinsen: „Ich lade Sie mal zu einer Spritztour in meinem Sportflitzer
ein, damit Sie Beschleunigungskräfte am eigenen Körper spüren.“
Einige Monate sind inzwischen seit der folgenden Begegnung vergangen. Nach einem Vortrag kam ein Teilnehmer zu
mir, stellte sich als Vertreter einer Bundesbehörde vor und lobte meinen Vortrag überschwänglich. Dann hielt er mir
einen USB-Stick hin. Ich bin es gewohnt, dass Teilnehmer mir Visitenkarten überreichen, gelegentlich auch Flyer – aber
was sollte ich mit diesem USB-Stick anfangen? Wollte er mir diesen etwa schenken? Oder befand sich darauf eine
Publikation, die er mir zukommen lassen wollte? Vermutlich habe ich mein Gegenüber ziemlich verwundert angeschaut.
Er erklärte mir daraufhin, dass er in der kommenden Woche ein wichtiges Meeting bei einem noch wichtigeren
Ausschuss zum Thema Inklusion habe und dass er da gern meine gelungene Präsentation vorstellen möchte. Daher
dürfe ich diese jetzt auf seinen Stick kopieren. WIE BITTE? Es war kein Scherz! Ich erklärte meinem Gesprächspartner,
dass er mich gern einladen könne und dann würde ich meine „gelungene Präsentation“ in seinem Haus wiederholen.
Bisher habe ich nichts von ihm gehört.
Oft erfahre ich viel Persönliches von den Teilnehmern meiner Veranstaltungen. Manchmal ist dabei Unerwartetes. Eine
Fachperson erzählte in der Vorstellungsrunde eines Workshops, dass sie den Tag in der Therme verbracht habe, weil
sie heute frei habe. Sie habe sich aber dann doch zu dem am späten Nachmittag beginnenden Workshop begeben,
obwohl sie gern länger in der Therme geblieben wäre. Zu einem späteren Zeitpunkt gab sie dann preis, dass heute ihr
Geburtstag sei und dass sie es nicht bereue, den Thermenbesuch beendet zu haben. Spontan habe ich dieser jungen
Frau eines meiner Bücher geschenkt, denn ich konnte mir gut vorstellen, wie es sich anfühlt, die wohlige Entspanntheit
für eine Weiterbildung aufzugeben. Für zukünftige Geburtstagskinder sollte ich hier noch hinzufügen: Nur solange der
Vorrat reicht!
Abschließend löse ich die Episode mit der Künstlergarderobe auf: In diesem Raum, der deutlich größer als meine
Vorstellung eines solchen war, fand der sich an den Vortrag anschließende Workshop statt. Der Gang in den Keller
diente dem Ausprobieren der Technik.