Anguckallergie

Inez Maus
Blogbeitrag  17. August 2024
Flugreisen mit autistischen Kindern
© Inez Maus 2014–2024
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Das Thema des Fliegens mit autistischen Kindern ist für Eltern und Angehörige sowohl vor als auch nach Ferienreisen hochaktuell. Dies zeigen mir unter anderem die Zuschriften zu meinem Blogartikel im Juni, bei dem einige Leserinnen und Leser auch Informationen zu Flugreisen mit autistischen Kindern erwarteten. Mit meinem heutigen Artikel hoffe ich, diese Erwartungen zu erfüllen. Flugreisen mit autistischen Kindern sollten sehr gut vorbereitet werden, wobei die Art und Weise der Vorbereitung und auch der Erfolg dieser Vorbereitungen vom Alter des Kindes, aber auch von der Ausprägung der autistischen Symptome und der kognitiven Reife des Kindes abhängen. Die Vorbereitung beinhaltet im Wesentlichen, das Kind über das aufzuklären, was kommen wird. Der erste Flug mit einem autistischen Kind sollte keine Fernreise sein. Wenn eine Fernreise geplant ist, empfiehlt es sich auf jeden Fall, zuerst eine kurze Flugreise zu unternehmen, um herauszufinden, wie das Kind auf das Fliegen reagiert und wie es bei der Bewältigung der Flugreise unterstützt werden kann. Im ersten Schritt ist es ratsam, das Kind – unabhängig davon, ob es nonverbal oder verbal ist – mit visuellen Mitteln an das Thema Fliegen heranzuführen. Dazu eignen sich Bilderbücher, Filme oder auch Fotos von Personen, die eine Flugreise gemacht haben. Wichtig ist, die Meinung des Kindes zu diesem Thema herauszufinden. Freut es sich auf die Flugreise oder ist es eher skeptisch oder ängstlich? Bei Kindern der zweiten Gruppe – also die skeptischen oder ängstlichen – kann durch gut aufbereitete Informationen erreicht werden, dass die schwierigen Gefühle abnehmen. Emotionale Aussagen, wie beispielsweise man habe sich bei der ersten Flugreise frei wie ein Vogel gefühlt, bewirken meist das Gegenteil. Autistische Kinder grübeln dann möglicherweise, wie der Vogel in das Flugzeug kam. Bei autistischen Kindern, die sich auf eine Flugreise freuen, entfällt der Aufklärungsbedarf keineswegs. Hier gilt es zu klären, ob sie wirklich die richtige Vorstellung vom Fliegen haben: Wie viel Platz habe ich im Flugzeug? Was darf ich tun? Was darf ich nicht tun? Wie laut ist es in einem Flugzeug? … Im zweiten Schritt der Vorbereitung sollte das Kind mit realen Flugzeugen und dem Flughafen in Kontakt kommen – soweit das möglich ist. Ein Besuch des Flughafens und das Betrachten von landenden und startenden Maschinen lassen Zeichnungen aus Bilderbüchern lebendig werden. Vielleicht gibt es im Vorfeld auch die Möglichkeit, ein Flugzeug in einem Museum oder bei einer Luftfahrtausstellung zu betreten. Autistische Kinder benötigen oft Informationen, die Erwachsenen als selbstverständliches Allgemeinwissen erscheinen. So kann es notwendig sein, zu erwähnen, wie viel Platz man als Passagier in einem Flugzeug hat, dass man während des Fluges nicht ständig herumlaufen kann, im Flugzeug nicht hüpfen oder springen darf und die Fenster nicht geöffnet werden können. Auch kognitiv nicht eingeschränkte Kinder benötigen solche Informationen häufig, weil sie zwar über dieses Wissen verfügen, aber es dann möglicherweise nicht auf die aktuelle Situation ihres eigenen Fluges übertragen können. Für Kinder, die zum ersten Mal eine Flugreise unternehmen, sollte ein Medikament gegen Übelkeit eingepackt werden. Bei solchen Medikamenten, die man sich am besten vom Kinderarzt empfehlen lässt, ist es wichtig, vorher zu Hause auszuprobieren, ob das Kind das Medikament gut verträgt. Viele Medikamente gegen Reiseübelkeit machen müde, sodass dieser Nebeneffekt für weniger Stress bei einer Flugreise sorgen kann. Das Boarding- und das Kabinenpersonal sollten über die wichtigsten Besonderheiten des Kindes aufgeklärt werden. So kann sichergestellt werden, dass Eltern und andere Angehörige in dem Fall, dass es zu Problemen kommt, Unterstützung erfahren, anstatt abwertende Kommentare oder ungeeignete Ratschläge zu erhalten. Es ist Standardprozedere, dass Fluggäste mit besonderen Bedürfnissen vor allen anderen Gästen einsteigen können, um das Gedränge in der üblichen Schlange zu vermeiden. Das Kabinenpersonal hat beim Einsteigen alle Hände voll zu tun, für lange Erklärungen ist keine Zeit. Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass eine vorab an die Fluggesellschaft übermittelte Information über die Bedürfnisse des kleinen Fluggastes auch bis in die Kabine weitergegeben wurde. Helfen kann hier ein vorbereiteter Handzettel mit den wichtigsten Informationen für die Flugbegleitung: „Sitznummer …, nicht sprechender Autist, versteht aber alles, antwortet über Begleitperson auf Sitznummer ... Bitte nicht anfassen. …“ Eine weitere Möglichkeit, auf die Besonderheiten eines Menschen mit einer nicht sichtbaren Behinderung hinzuweisen, ist das Sunflower-Band. Dieses Band wird ohne das Vorlegen von Nachweisen an der Fluggastinformation ausgehändigt. Der BER schreibt auf seiner Website dazu: „Das Sunflower-Umhängeband ist ein Angebot für Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen, die diskret signalisieren wollen, dass sie eine Beeinträchtigung haben, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann. So können sich alle am Flughafen – das Personal genauso wie die Mitreisenden – darauf einstellen, dass diese Personen nach Bedarf Unterstützung, etwas mehr Zeit oder ein wenig Geduld während ihres Aufenthalts am BER benötigen.“ (Quelle, Zugriff am 14.08.2024) Der BER führte dieses Band als erster deutscher Flughafen im Jahr 2023 ein, der Hamburg Airport folgte zu Beginn des Jahres 2024. Eine Liste der beteiligten Flughäfen kann unter diesem Link abgerufen werden. Dieses Konzept funktioniert natürlich nur, wenn möglichst viele Menschen die Bedeutung dieses Bandes kennen und ihr Handeln dann auch an ihr Wissen anpassen.