Fünf Jahre
© Inez Maus 2014–2024
In wenigen Tagen ist es so weit: Anfang September vor fünf Jahren startete ich mein Blog. Ein Jubiläum ist ein
guter Anlass, um Danke zu sagen: Ich danke allen meinen Leserinnen und Lesern für das Interesse an meinen
Texten. Ich freue mich über die beständige Zunahme an Gästen meiner Blogseiten und über alle Abonnenten
meines Blogs, die inzwischen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Österreich sowie der Schweiz
kommen. Ebenso freue ich mich über die Rückmeldungen, Anregungen und vielen persönlichen Erlebnisse, welche
mir in Wort und Bild anvertraut wurden. Auch in Zukunft werde ich versuchen, die Wünsche nach Texten zu
bestimmten Themen zu erfüllen.
Ein Jubiläum ist auch ein guter Anlass, um zu schauen, welche Beiträge besonderes Interesse geweckt haben:
Viele und teilweise auch detaillierte Zuschriften haben die Artikel zum Thema Ernährung (Rot gefärbtes Eis, Der
Weiße Grieche, Wie essen Hunde?) sowie der jüngste Artikel zum Thema Urlaub (Ein Tag am Strand) erhalten.
Sehr emotionale Reaktionen erfolgten auf die Blogbeiträge „Mein Lieblingsautist“ und „Nur Trinken im Restaurant“,
wobei ein Leser ganz knapp rückmeldete: „Du hast sehr deutliche Worte gefunden, gut so!“ Der Artikel
„Nachtigallen in der Stadt“ brachte mir viele Zuschriften von Vogelliebhabern fern vom eigentlichen Thema
Autismus. Ich habe dank dieser Zuschriften jetzt eine gute Vorstellung davon, wie wenige oder viele Nachtigallen im
Wohnumfeld einiger meiner Leserinnen und Leser singen und ich weiß auch, bei wem erstmalig ein
Nachtigallenpärchen im Garten brütet.
Mein Blog ist für mich Gedankenarbeitsplatz, Gedankenlagerplatz, Gedankenhandelsplatz und Gedankenspielplatz.
Mit meinem Blog als Gedankenarbeitsplatz möchte ich ein Nachdenken oder Umdenken anregen, ich möchte
Hinweise geben und Diskussionen anstoßen. Vielen Zuschriften zufolge gelingt mir dies. Eine Leserin schreibt dazu
beispielsweise: „Ich bin immer wieder froh, wenn ich gute Beiträge in meinen Elterngruppen teilen kann.“
Ein Jubiläum ist immer auch ein Zeitpunkt, an dem man zurückschaut. Der Blog ist fünf Jahre alt, aber wie war
mein autistischer Sohn im Alter von fünf Jahren? Und wie war Benjamin in seinem fünften Schuljahr?
In meinem Tagebuch notierte ich damals: „Wieder wurde es Herbst, wieder war ein Geburtstag ohne Wünsche
verstrichen.“ Benjamin konnte sich noch immer nicht verbal mitteilen, obwohl er beständig Laute produzierte. Unser
Alltag bestand aus schwierigen Situationen und kleinen Lichtblicken, wie die folgende Schilderung verdeutlicht:
„Ausgrenzung und Unverständnis beschränkten sich aber nicht nur auf den Kindergarten. Von anderen Seiten
wurden sie meistens bloß etwas feinfühliger oder versteckter an uns herangetragen. Meine Schwiegermutter bat
uns, nur noch ohne Benjamin zu Besuch zu kommen, weil seine Gegenwart sie so viele Nerven kosten täte und sie
den Anblick dieses beklagenswerten Geschöpfes nicht ertrüge. Und meine eigene Mutter unterstellte mir, dass ich
an Benjamins Sprachproblemen schuld sei, weil ich entweder zu wenig oder zu ‚hochtrabend‘ mit ihm reden würde.
Sie meinte damit, dass er mich besser verstehen würde, wenn ich in einer Art Babysprache mit ihm redete. In jener
Zeit brachte Leon einen seiner Studenten mit zu uns nach Hause. Eigentlich war ich von meinen negativen
Erfahrungen schon ziemlich verbittert und hätte mich am liebsten mit Benjamin versteckt. Auf der anderen Seite war
ich froh über jeden Kontakt zur ‚Außenwelt‘, denn ich hatte kaum noch Kraft oder Zeit, um meine wenigen, mir noch
verbliebenen Freundinnen zu treffen, einkaufen zu gehen oder eine Veranstaltung zu besuchen. Dieser Student
jedenfalls begegnete Benjamin völlig vorurteilsfrei und beherzigte all unsere Empfehlungen im Umgang mit
unserem Sohn, auch wenn sie ihm vielleicht übertrieben, unlogisch oder einfach nur komisch vorkamen. Benjamin
duldete zuerst tapfer dessen Besuche und im Laufe eines Jahres war aus dem ehemaligen Studenten ein Freund
der Familie geworden, dem es auch gelang, mit Benjamin kleine Spiele zu spielen.“ *
Am Beginn des fünften Schuljahres besuchte Benjamin nach vielen problematischen Jahren an einer Förderschule
seit einem Jahr die Regelschule. Das fünfte Schuljahr startete mit der Einführung des Fachunterrichts, mit neuen
Lehrern und mit einer erhöhten Anzahl an Schulstunden, aber das stellte alles kein Problem für unseren Sohn dar,
was wohl in erster Linie ein Verdienst der Schulhelferin war. Im Gegenteil, Benjamin war froh, dass er jetzt anstatt
des Sachkundeunterrichts „richtige“ Schulfächer wie Biologie, Geschichte und Erdkunde hatte.
Familien mit einem autistischen Mitglied müssen ihren eigenen Weg gehen, nicht den von anderen. Sie müssen
herausfinden, was für sie als Familie gut ist und was nicht. Sie müssen erkennen, dass es immer nur einen
individuellen Weg geben kann. Ich hoffe, auch mit meinen künftigen Blogbeiträgen nützliche Hinweisschilder an den
vielen Weggabelungen aufstellen zu können.
Vielen Dank für Ihr Vertrauen.
Ihre
*Der Textauszug wurde zuerst hier veröffentlicht.